In einem Fachbuch für Fotografie habe ich gelesen man solle mit Hilfe von Linien die Aufmerksamkeit des Betrachters in das Bild hineinlenken. Wichtig sei auch beim Bildaufbau auf die Drittelregel und den Goldenen Schnitt zu achten. Zudem solle auch noch das gewisse Etwas im Bild zu sehen und eine Aussage vorhanden sein. Auch wenn es nicht jeder glauben mag, ich lasse mir etwas sagen, man muss es mir nur zum lesen geben.
Um ganz sicher zu gehen die Tipps aus dem Buch nicht falsch zu verstehen, habe ich mich in den letzten Tagen durch einige Buchhandlungen und Bibliotheken gekämpft um in diverser Fachliteratur nachzulesen ob das, was ich im ersten Buch gelesen habe, auch wirklich so gemeint war. Denn die Aussage mancher Texte ändern sich komischerweiser ganz plötzlich, je nach Laune des Autors.
Mit bestätigtem Textverständnis habe ich mich heute auf Fototour begeben. Ich wollte ein ganz besonderes Motiv finden. Eines, das noch niemand vorher gesehen hat. Gut, das ist im größten Dorf vor den Alpen gar nicht so leicht. Da wird überall geknipst. Mit Smartphones, Tablets und sogar mit Fotokameras.
Nach einiger Zeit vergeblichen Suchens habe ich mein Vorhaben der Situation etwas angepasst. Weg vom Außergewöhnlichen, hin zum Alltäglichen. Bayerisches Essen. So Münchner Spezialitäten wie Döner. Oder Touristen. Echte Münchner ist mir dann noch eingefallen, aber dann wäre ich wieder im Bereich des Außergewöhnlichen gewesen.
Gar nicht so leicht hab ich mir dann gedacht. Oh nein oh nein, dass soll ich doch nicht. Entschuldigung Tantchen, kommt nicht wieder vor. Und so stellte ich also fest dass es gar nicht so leicht ist ein passendes Motiv zu finden. Meine Augen streiften umher und ich war froh dass sie mich mitnahmen. Sie suchten nicht, sie schauten nur. Und entdeckten etwas. Den Alltag in der Stadt. Etwas Alltägliches.
Sofort begann ich mit dem Bildaufbau. Wie sich das anhört: Bildaufbau. Genauso komisch wie Wiesenaufbau. Darum heißt das Oktoberfest auch nicht Wiese sondern Wiesn. Folglich ist das auch der Wiesnaufbau. Hört sich gleich viel besser an und du hast wieder was gelernt, vom kleinen Werner. Aber ich schweife ab. Vom Bildaufbau wollte ich berichten, von Linien und dem Goldenen Schnitt. Eigentlich passte alles, so durch den Sucher betrachtet, aber ich war mal wieder nicht zufrieden. Es fehlte noch was. Das gewisse Etwas. Ich dachte (ups) an das was ich gelesen hatte, ging die Situation noch einmal durch. Das Bild musste gleich beim ersten Mal passen. Hätte ich mein Birchermüsli dabeigehabt hätte es vielleicht eine zweite Chance gegeben, aber so...
Ich wartete. Den Finger am Auslöser und das Motiv immer fest im Blick. Und die Nase an die Kamera gedrückt. "Die ist nachher sicher ganz krumm." Schon komisch auf welche Gedanken man kommt wenn man so durch den Sucher starrt. Irgendwann wird die Umgebung ausgeblendet, die Ohren schalten ab und man guckt und guckt und guckt durch sein Gurkenglas. Und ich kam mir plötzlich ganz toll vor. Ich machte Urban Bird Watching. Entschuldigung, ich wollte auf Deutsch schreiben: örbän Börd Wotsching. Genauer gesagt war es After örbän Börd Wotsching. Hört sich nach einer Party an, war es aber nicht. Das war knallharte Arbeit. Was die Profis unter den Fotografen so auf sich nehmen um das perfekte Bild zu bekommen. Allen Respekt. Viele sind der Meinung ein gutes Bild wird von der Kamera gemacht und vergessen ganz denjenigen der der Kamera den Impuls zum auslösen gibt. Das hab ich dann nach endloser Warterei dann auch mal gemacht. Mir war die Geduld abhanden gekommen. Nein, das durch den Sucher starren ist richtig anstrengend.
Naturlich habe ich dann gleich mein, nach allen Regeln der Fofografie gemachtes Werk begutachtet. Für einen Anfänger ist es eigentlich gar nicht so schlecht. Nur das gewisse Etwas, das wollte einfach nicht kommen.